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An Barbara W., 16. Dezember 1997

Liebe Barbara! Ich schulde Dir schon längst einen Brief!!! Du hast mir mehrere Male geschrieben und nie etwas von mir gehört! Das ist nicht gut! Auch heute habe ich nicht viel Zeit, will Dir aber doch kurz folgendes schreiben:

1.

Es ist schon sehr lange her, da hast Du mich  gefragt, ob ich nicht etwas über Schweizer Alternativschulen etc. schreiben könnte. Ich glaube, ich habe damals nicht reagiert. Ein Grund dafür ist, dass ich in meinem Denken über Schule und Schulreform, Alternativschulen etc. immer radikaler und auch politischer werde, weil ich immer weniger an den Sinn und Nutzen  von Schulreformen und Alternativschulen etc. glaube. Das macht meine Artikel irgendwie "unpraktisch". Die Menschen wollen Informationen, einfache Thesen etc., aber eben: solche interessieren mich nicht mehr sehr. Ich finde das Schreiben auch selbst schwierig, denn ich weiss zwar, an was ich NICHT mehr glaube, aber ich weiss eigentlich nicht, an was ich denn jetzt glaube! Das heisst, ich habe viele Fragen, viel Kritik etc. und sehr "Antworten", und das ist schwierig (für mich als Schreiber und für die, die meine Texte lesen). Falls Ihr jedoch immer noch an einem Jartikel  von mir interessiert seit, so will ich gerne einen schreiben - für das geplante oder für ein neues Buch vielleicht? Du must mir einfach ziemlich klar sagen, welches Thema Euch interessiert, und wie vielSeiten der Artikel haben kann ... .  Auch Termine musst Du mir genaue geben, sonst schreibe ich nie!

2.

Auf Deinen letzten Brief (oder  war es eine Karte?) habe ich nicht geantwortet, weil ich Anfang dieses Jahres für  6 Monate in en USA war - privat! Einfach so, als "Vagabund"! Es war sehr gut für mich, sehr erlebnisreich und schön!

3.

Jetzt bin ich wieder zuhause. Ich habe ja im Sommer 1996 meinen Doktortitel gekriegt für eine Arbeit über Paul Geheeb. Das Buch wird Anfang 1998 im Deutschen Studienverlag (Weinheim) erscheinen. Titel: "Paul Geheeb - Seine Entwicklung bis zur Gründung der Odenwaldschule". Es ist also nur der erste Teil einer grösseren Biographie. Am zweiten Teil arbeite ich jetzt. Ich habe nach meiner Disertation ein entsprechendes Forschungsprojekt definiert, und die Jschweizer Jregierung hat beschlossen, dieses Projekt zu finanzieren. So bin ich also für etwa 3 Jahre ein richtiger Wissenschaftler geworder! Ich arbeite  zum Teil zu hause, zum Teil an der Uni in Bern (im Institut von Prof. Jürgen Oelkers) und zum Jteil in der Ecole d'Humanité, wo sich das "Geheeb-Archiv" befindet. Meine Arbeit ist zum Teil pädagogisch, zum Teil historisch orientiert. Sie gefällt mir sehr; überhaupt habe ich ein sehr sehr gutes und schönes Leben!

4.

Jetzt weisst Du wieder ein wenig, was mit mir los ist. Mit Alternativschuen habe ich zur Zeit nur noch privat zu tun. Auch Gilbert treffe ich manchmal. Natürlich interessieren mich die Menschen des EFFE oder die Menschen der Schweizer Alternativschulen immer noch, aber ich bin in diesen Kreisen nicht mehr aktiv tätig!

Nun erzähl Du mir ein wenig von Dir! Ich bin sicher, dass sich in den letzten Jahren auch bei Dir einiges verändert hat! Was tust Du zur Zeit und wie gefällt Dir Dei Leben?

Ich hoffe, dieser Brief findet den Weg zu Dir!

Falls Du ihn sogar noch vor Weihnachten bekommen solltest, dann ... wünsche ich Dir ganz schöne Festtage und "einen guten Rutsch ins neue Jahr" (wie man auf Deutsch sagt)!

Viele herzliche Grüsse,