www.martinnaef.ch / 1.2: Briefe > An Beatrice L., 25. März 1997, Ojai, California
.

An Beatrice L., 25. März 1997, Ojai, California

Liebe Beatrice! Sag mal, wie geht's denn Dir? - Ein seltsames Gefühl war das jeweils, wenn ich mit Pina telefoniert und dadruch so ganz bei Euch an der Ramsteinerstrasse war, und ich hab nicht bei Dir vorbeigeschaut! He, Du! Ca va? Pina hat mal gesagt, Du seist sehr k.o. -, zu viel arbeiten! He, nix gut! Du ein bisschen auf Balkoni sitzen und Pause machen! Ist etwas besonderes passiert - besonders schwierig oder erfreulich? - Naja, ich frage, und wem sollst Du antworten? Aber Du siehst:  Da sitze ich vor meinem Cottige in Ojai unter einem alten Eukaliptusbaum und frage mich, wie es Dir wohl so geht.

Mir geht es gut und das Wetter ist auch gut und die Tante hat jeden Tag einen Pudding zum Desser gemacht und ich freue mich auf das Heimkommen! ... Nein, im Ernst: Hier in Kalifornien ist es tatsächlich sehr schön - zumindest was das Wetter angeht: Seit ich hier bin - also seit ca. 5 Wochen - ist es meist sonnig und angenehm warm. Hie und Tag gibt es einmal einen Tag, der in der einen oder andern Richtung aus der Reihe tanzt, doch meist ist die Temperatur genau richtig für mich, nicht zu heiss und nicht zu kalt. - Die menschliche Temperaturin Kalifornien scheint mir dagegen weniger zu entsprechen. Zu warm, würde ich sagen. Zu viel "o wunderful", "o how great", "isn't this marvelous" ...Ich fühle mich in Mitten von so viel Enthusiasmus und Schwärmerei etwas irritiert. Vielleicht ist ja wirklich alles um mich her ganz wunderful und marvelous? Vielleicht bin ich solch ein Griesgram, so ein Füdlibürger und Urschweizer, dass ich es einfach nicht merke. Aber ich merke es wirklich oft nicht, und auch meine Beziehung zum Kosmos scheint sehr blockiert im Vergleich zu dem, was meine Mitmenschen hier über diese Sache sagen! Die spüren überall irgendwelche Kräfte (zum Glück immer gute!), fühlen sich immer inspiriert und von der Mutter Erde getragen - es ist zum närrisch und neidisch werden! ... Also, da staune ich dann immer und denke, ich müsste mich doch noch ändern auf meine alten Tage, nur, das Gerippe ist auch nicht unendlich biegsam, so dass ich es dann wieder bleiben lasse - das mit dem mich Ändern.

So. ... Jetzt ist Michael gekommen. Wir wollen auf die Post, und - nach dem Motto: Lieber den Spatz in der Hand als einen Auerhahn auf dem Jdach - schicke ich auch diesen (kurzen) Brief gleich weg! Ich wollte nur mal kurz reinschauen und sehen wie's Dir geht!

Lass Dich ganz fest umarmen und ... toitoitoi! Bis im August. Dann bin ich spätestens wieder da!