www.martinnaef.ch / 1.2: Briefe > An Regula N., 29. März 2018, Basel
.

An Regula N., 29. März 2018, Basel

Liebe Regula! Ich verstehe deine Sorgen, und ich teile sie auch mit dir. Aber du hast auch nichts unternommen, als ich 1987 für 8 Wochen in den Staaten, und auch in Harlem und anderen Orten von New York war. Zehn Jahre später bin ich noch einmal für ein halbes Jahr in den USA gewesen, und da habe ich z.B. einen Monat mitten in San Franzisco in einem einigermassen dreckigen aber billigen Hotel gewohnt, weil ich die 'Schwulenwelt' kennenlernen wollte. Der Thomas hat sogar mitgeholfen, 2011 die UPP und danach die Darsilamano zu gründen. Jetzt kann man sich ja fragen, warum hat Martin nicht sehen wollen, dass die Behinderungen, die er jetzt hat, einfach zu schwierig sind, dass er weiterhin in der Welt herumreist wie wenn nichts wäre.

Ja, das kann man sich wirklich fragen. Aber ich war drei Monate in Kongo. Ich habe in einer Uni gearbeitet und auch ausserhalb der Uni viele Menschen kennengelernt. Zwei drei sind gute Freunde von mir geworden. Sie haben immerwieder angerufen und ge-emailt, auch wenn ich ein oder zwei Jahre lang nur 'yes yes yes' sagen konnte. Ich habe ungefähr vor einem Jahr vorallem mit Masemo diskutiert, ob ich nochmal in den Kongo gehen würde, wenn sich die Menschen wirklich freuen würden. Ich habe gezögert, weil ich gemeint habe, es geschiet nur aus Höflichkeit. Er hat aber nicht aufgehört, und ich habe auch gemerkt, dass er weiss, was man sich da einhandelt.

Im September habe ich mich nochmal operieren lassen. Die Operation ist komplett in die Hosen gegangen, aber Masemo will mich weiterhin sehen. Er wird mich in Bujumbura abholen, und ich werde mit ihnen sein (essen, schlafen etc) Ich habe vor, einen verlässlichen Menschen zu engagieren und zu bezahlen, damit ich so frei bin, die Leute zu besuchen, die ich besuchen möchte. - Auch die vor einem Jahr wieder auferstandene Darsilamano braucht Hilfe. Die Schule wird von Darsilamano nur noch für ein viertel oder ein halbes Jahr unterstützt, und dann ist das Geld aufgebraucht.

Also gehe ich eigentlich nicht zum Abschiednehmen, sondern zum Helfen. Aber es ist mir auch bewusst, dass ich's vielleicht nicht mehr kann. Dann wird's ein Abschied, vielleicht auch ein Abschied von einem auch äusserlich abenteuerlichen Leben. Aber das kann ich erst sagen, wenn ich dort gewesen bin.

Regula, ich habe auch Angst, einmal mehr und einmal weniger. Aber ich MUSS gehen, weil ich nicht nur Angst habe. Es reizt mich immernoch, nicht nur die 'Probleme', sondern auch die Gespräche, die Feste oder die Landschaften zu fühlen und zu sehen. Damit mache ich es auch meinetwegen, nicht nur den anderen zuliebe. - Ganz schönen Abend trotzdem, Martin