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An Wolfgang B., Anfang April 1997, San Francisco

Hallo Wolfgang! Soweit und och so nah - scheinbar -, Email macht's möglich. - Ja, lieber Wolfgang, diesmal ist nicht Geheeb, sondern Segeln angesagt. Was den Herrn G. angeht, sind wir ja scheinbar auf Erfolgskurs! Martin hat gesagt, dass Du demnächst mit dem Satz beginnst. Das ist gut; der Nationalfonds hat sich inzwischen ja prinzipiell entschieden, sodass das Projekt jetzt wirklich in Gang gebracht werden kann. Ich selbst bin Mitte August wieder im Ländle. Ich hoffe, dass das Buch dann - September oder so - erscheinen kann, denn allzu lange soll es doch nicht mehr einfach so auf Halde liegen. Solltest Du mit Herrn H. sprechen, so sag ihm dies doch bitte, damit Ihr Eure Pläne in dieser Richtung absprechen könnt. - Aber eben, diesmal geht es eigentlich nicht um Herrn G., sondern um's Segeln!

Als ich in San Diego war, nur 100 Meter vom Pazifik entfernt, und jeden Morgen seinen Ruf hörte oder es auf meinen Spaziergängen am Strandleibhaftig spürte, da ist meine alte Liebe zum Segeln wieder erwacht, und ich habe beschlossen, nach Möglichkeit per Segeljacht heimzukommen! Wie das genau funktionieren soll, weiss ich zur Zeit noch nicht. Es steht einerseits die Pazifik-Variante zur Diskussion, denn - da ich noch bis Mitte Mai an der Westküste (San Francisco und Umgebung) sein werde - ist die Chance grösser, irgendwelchen PazifikfahrerInnen über den Weg zu laufen bzw. hier entsprechende Kontakte anzuknüpfen. Falls sich in dieser Richtung jedoch bis Mitte Mai nichts konkretes ereignet, werde ich dann wohl an die Ostküste zurückreisen, um von Florida oder von einer der kleineren karibischen Inseln (Antigua wurde mir empfohlen) aus ein Boot zu finden. Diese Variante hätte den Vorteil, dass ich wirklich bis nach Europa segeln könnte, während ich im Falle einer Pazifiksegelei allenfalls bis Japan oder Singapore komme und dann eventuell nolens volens doch ein Flugzeug besteigen müsste. - Das Ganze ist eine Übung in Offenheit: Ich muss planen, ohne mich auf irgendwas festzulegen, muss das Projekt aktiv verfolgen, ohne meine ganze Zeit damit aufzubrauchen und alle anderen interessanten Dinge deswegen zu verpassen! In diesem Sinne rede ich seit ein paar Wochen immer wieder mit irgendwelchen Menschen, die irgendwie mit Hochseesegeelei zu tun haben, und sammle eventuell nützliche Informationen und Tipps; einmal war ich auch schon ganz nah an einem Volltreffer - "ja, ein guter Freund von Mir bereitet zur Zeit einen Turn nach Australien vor ..." -, doch wurde dann doch nichts daraus.

Jetzt sammle ich also wieder Krümels, und da wollte ich Dich fragen, ob Du vielleicht auch irgendeinen Tipp, eine Adresse, Anlaufstelle, ein Stück Suchstrategie beizusteuern hast, oder ob vielleicht ein guter Freund von Dir zur Zeit gerade einen Turn - z.B. Karibik-Spanien - vorbereitet? Vielleicht kannst Du ja auch mal in eine Segelzeitschrift kucken, falls Dir eine Solche in die Quere kommt, oder vielleicht findest Du irgendetwas nützliches im Internet? Dort habe ich bereits ein wenig gesucht und auch einige interessante Anschlagbretter und Web-Pages gefunden, doch etwas wirklich nützliches war, besonders  was die Atlantik-Variante angeht, nicht darunter; allerdings bin ich auch nicht sehr geübt im Umgang mit dem Internet, und mein mittelalterliches Bildschirm-Leseprogramm macht die Sache auch nicht gerade leichter. So kam mir vor ein paar Tagen die Idee, auch Dich anzusprechen, denn - wer weiss -, vielleicht kommt der entscheidende Hinweis aus Lörrach! Vielleicht kriegst Du sogar plötzlich Lust, Dich dem Abenteuer anzuschliessen. Mit zwei oder drei Wochen Rumhängen im englischen Hafen von Antigua sollte die Sache möglich sein ...

Wie gesagt: Das Alles sind nur Versuche. Lass Dir also keine (weiteren?) grauen Haare wachsen, wenn Du nichts wissen solltest! Wenn Du aber eine Idee hast, dann schreib mir doch. Meine Email-Adresse ist die im Augenblick meine einzige Anschrift, und wenn ich auch nicht jeden Tag Zugang dazu habe, so versuche ich doch, meinen Elektrobriefkasten möglichst regelmässig zu leeren.

Ja und sonst: Du arbeitest vermutlich nach wie vor zu viel, und vor allem zu  viel an Dingen, die Dir keinen besonderen Spass machen - oder irre ich mich? Zeichnet sich in dieser Hinsicht eine Änderung der Verhältnisse ab? Wenn ja, dann würde ich wirklich sagen: bis zum 15. Juni in Antigua, englischer Hafen! Wir treffen uns Punkt zwölf im internationalen Segelclub zum Mittagessen, wie wär's! - Antigua soll sehr schön sein! Wenn uns die Götter beistehen, und wir innert nützlicher Frist ein Boot finden, dann könnten wir zwei  Monate später in der Eisenbahn nach Basel sitzen!  - Wie beliebte doch unser Herr G. seinen Goethe zu zitieren: "In der Idee leben heisst, das Unmögliche behandeln, als ob es möglich wäre!" ... Dies ist im Übrigen das Motto meiner ganzen Reise! - Bist Du an einem vorläufigen Report interessiert? - Nun, ich hänge (für den Fall der Fälle) einen Teil eines Briefes an, den ich morgen mit derselben E-Post an die Ecole d'Humanité schicken will! Ich hoffe, die Technik lässt mich nicht im Stich!

Sei ganz herzlich gegrüsst, und bitte - lass doch kurz von Dir hören, auch wenn Du keine "wichtigen" Nachrichten oder Infos hast! - Alles Gute und bis bald! – Martin