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Lieber Hans.Auszug aus einem Brief vom 17. 5. 1998

Ich habe in Richtung SM inzwischen einen ersten Schritt nach aussen gemacht. Der Text, den ich vor zwei oder drei Tagen auf der AK-Seite platziert habe, ist nämlich schon ein halbes Jahr alt. Ich schrieb ihn irgendwann im letzten Herbst und habe ihn dann nicht mehr angeschaut; wusste auch nicht so recht, wohin mit  ihm.

Ungefähr zur selben Zeit habe ich ein- oder zweimal auf den AK-Seiten nach einem Meister gesucht, denn mich haben vor allem Maso-Bedürfnisse und Phantasien umgetrieben. Ich habe danach zuerst einmal ein paar Email-Kontakte mit teils längeren Briefen gehabt. Dabei habe ich einerseits gemerkt, wie tief mich dieses ganze Thema berührt. Da scheint wirklich eine total grosse Sehnsucht in mir zu stecken. Gleichzeitig habe ich mich natürlich auch etwas geschämt, denn ... naja, ich hab's ja geschrieben:

"Schwulsein ist o.k., aber so was ..." -, da hat meine gutbürgerliche Erziehung doch ziemlich rebelliert (und sie rebelliert auch jetzt noch hie und da). Vor ein paar Wochen habe ich mich dann einmal mit einem "richtigen" Sadomenschen getroffen, und er hat mich - gemäss unseren vorhergegangenen Vereinbarungen - drangenommen ... Jetzt, wo ich Dir davon schreibe, spüre ich wieder dieses mulmige Gefühl im Bauch, diese Mischung von Angst und Sehnsucht und Geilheit. Damals aber, während dieser Session, hat es mich  nicht besonders gepackt. Ich habe zwar alles schön und brav mitgemacht - musst Du ja als "arme Sklavensau"! -, aber innerlich hat es mich  nur sehr wenig berührt und geil fand ich es über weite Strecken auch nicht.

Seither war die Sache für mich nicht mehr so aktuell und dringend -, ob sie einfach "vorbei" ist ("Fehlanzeige"!) oder ob es sich dabei nur um eine Erholungspause handelt,  weiss ich nicht. Die tiefen Gefühle und Sehnsüchte, um die es hier geht (oder vielleicht geht?), die habe ich natürlich nach wie vor, und auch die Lust, mich wieder einmal (als Sadist oder Masochist) auf ein solches Erlebnis einzulassen, ist nach wie vor da. Ich bin aber, auch aufgrund des gemachten Versuchs,  nicht sicher, ob diese Sehnsüchte wirklich auf diese Weise gestillt werden können.

Vielleicht wenn das sexuelle Ritual, das Quälen und Gequält werden, Teil einer tieferen Beziehung sind - ja, dann vielleicht. Aber sonst? Ich weiss es nicht; weiss auch nicht, ob das "Abflauen" meines Interesses eine Art Angst vor meinem eigenen Mut ist, ein Rückzug vor einer Sache, die mir zu heiss ist, weil sie mir "zu nahe" ginge, wenn ich mich wirklich darauf einlassen würde. Da kommt dann wieder das "Vertrauen" ins Spiel, von dem Du schreibst - das Vertrauen in die Färness des Anderen etc., aber auch das sich einander "seelisch" und "gefühlsmässig" anvertrauen und  zeigen können -, also auch eine grosse Liebe? . - Irgendwie geht es bei dem Ganzen ja auch um Hingabe, um Verschmelzen, um sich Ausliefern, um eine "grosse Erlaubnis", um das Erlebnis, sich ganz zeigen zu dürfen, und das scheint doch mehr zu sein als ein paar Regeln von wegen safe sex und ein paar toys.

 

Copy Martin Näf, Basel