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An Maja O., 10. April 2003

Liebe Maja, Lang ist's her ... und Du ahnst richtig: "Er will etwas von mir." – Natürlich. Weshalb würde ich sonst schreiben. Vielleicht um über vergangene Zeiten zu reden? Ja, das wäre möglich, denn die sind in mir immer wieder ganz lebendig und oft, wenn ich auf dem Weg von der Stadt nach Hause durch die St. Alban Vorstadt oder unten durch den Friedhof der St. Alban Kirche gehe, denke ich daran, wie wir damals auf Eurer Gartenmauer sassen und ... oder ich denke daran, wie wir ...

Aber eben. Lang ist's her. Seither weiss ich kaum was Du tust und wie Du so lebst. Hie und da kriege ich etwas von Deinem öffentlichen Wirken mit – auch da längst nicht alles -, aber sonst ... ? Vor zwei Jahren habe ich einmal kurz mit Beatrice im Birds Eye gesprochen, doch dabei haben wir nicht oder nur ganz wenig von Dir geredet. Bleibt mir also nur zu hoffen, dass es Dir gut geht und Du – wenn nicht ganz so doch mehrheitlich – zufrieden bist mit Deinem Leben, zufrieden und froh ...

Oje, jetzt werde ich doch noch ganz nosthalgisch, dabei schreibe ich ja wirklich, weil ich etwas ganz bestimmtes von Dir will. Also denn:

Du hast vermutlich mitgekriegt, dass wir am 17./18. Mai u.a. über eine Initiative abstimmen, die will, dass die Gleichstellung behinderter Menschen durch einen zusätzlichen Artikel in der Bundesverfassung gewährleistet wird. Der Artikel wird natürlich nicht alle Hindrnisse aus dem Weg räumen, mit denen behinderte Menschen in ihrem beruflichn und privaten Leben konfrontiert sind, doch er wird die Situation behinderter Menschen mittelfristig wesentlich verbessern. Insofern ist er ein wichtiger Schritt auf dem Weg.

Leider stehen die Chancen  für die Initiative zur Zeit jedoch nicht sehr gut, und dies, obschon der Goodwill behinderten Menschen Gegenüber in der Schweiz insgesamt durchaus da ist. Ein wesentlicher Grund dafür, dass die "Behinderteninitiative" möglicherweise nicht angenommen wird liegt in der Tatsache, dass das Parlament im vergangenen Dezember ein eidgenössisches "Behindertengleichstellungsgesetz" verabschiedet hat, von dem jetzt gesagt wird, dass es die Initiative überflüssig mache. Ein genauerer Blick auf das Gesetz (welches jedenfalls im kommenden Jahr in Kraft treten wird) zeigt allerdings, dass in ihm viele wichtige Bereiche überhaupt nicht oder nur sehr unbefriedigend geregelt sind. Alle grossen Behindertenorganisationen setzen sich deshalb weiterhin für die Initiative ein, und vor ein paar Wochen habe auch ich begonnen, in der Region Basel in dieser Sache aktiv zu werden.

Und jetzt meine Frage an Dich: Könntest Du Dir vorstellen, die Initiative durch ein  persönliches Inserat (im Politjargon offenbar Testimonial genannt) zu unterstützen. Da Du in unserer Region ja so eine Art öffentliche Person bist, wirst Du besser wissen als ich, worum es hier geht. Diese Inserate – ein Bild mit einem kurzen Statement im Sinn  von "Maja Oeri stimmt ja zur Behinderteninitiative" – sind ein Mittel, mit dem wir in den nächsten Wochen für die Initiative werben wollen. Dabei geht es nicht primär um Geld – die drei bis vierhundert Franken, die ein solches Inserat kostet könnten auch sonst aufgebracht werden -, sondern es geht vor allem um die Wirkung Deines Namens.

Ich finde es ja etwas rüde, Dich so zu überfallen und auszubeuten – doch wer weiss: Vielleicht findest Du das ganze ja eine gute Sache und hilfst gerne! Wenn Du nicht sicher bist, ob Du ja oder nein zu meiner Anfrage sagen willst, so können wir uns in den nächsten Tagen auch gerne einmal noch eingehender über das Thema und evtl. andere Unterstützungsmöglichkeiten unterhalten. Wenn Du Zeit und Lust dazu hast, könnten wir diese Sache auch zum Anlass nehmen, uns einfach so wieder einmal zu treffen und ein wenig von einander zu hören.

Ruf mich doch an oder maile mir, um mir zu sagen, was Du von der Sache hältst, ob Du dabei bist und ob wir uns einmal treffen wollen. ... Lang ist's her!

Liebe Maja, ich wünsche Dir noch einen schönen Tag oder Abend und freue mich, demnächst einmal von Dir zu hören. - Ganz herzliche Grüsse, Martin