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Man muss sich manchmal einen Ruck geben

Das Spiel? Ja vielleicht ist es ein Spiel. Für einige ist es tatsächlich eine wunderbare Gelegenheit sich zu vergnügen, zu tanzen, zu parlieren und zu brillieren. Für Viele ist es eine Pflicht, der sie sich gerne entziehen würden, wenn sie nur könnten! Aber eben: Man kann halt leider nicht immer wie man will, und "wer A sagt, muss auch B sagen ...".

Gewiss, der steife Kragen der Abstraktionen, der frisch gewichste Stiefel und der so zierliche Damenschuh -, alles etwas eng und steif, etwas schwer und unbequem, doch was tut man nicht Alles, wenn es um die eigene Stelle, die Beförderung, die Ehre, die gute Partie der Tochter oder die Karriere des Sohnes geht! Was tut man nicht Alles aus Angst davor, die Pension zu verlieren oder beim Grafen in Ungnade zu fallen! "Aber gewiss doch, Herr Professor, ja natürlich, Herr Redaktör!"

Bücklinge gehören nun halt einmal zum Leben, und von dem Bisschen Arschkriechen wird man ja nicht gleich zugrunde gehen! Und wer das Spiel nicht mitspielt - der ist im nu weg vom Fenster! Nein, nein. Machen sie sich da nichts vor. Homo homini lupus, da hatte der alte Hobbes schon recht. Wer es zu etwas bringen will, der muss dafür schon was tun! Nennen Sie es nicht Heuchelei! Nennen Sie es Convérsation und Politesse! Man unterhält sich doch immer so prächtig auf den Bällen des Grafen E., ganz wie auf den pädagogischen Kongressen! Mon dieu, das Leben ist ein Kampf -, je schneller Sie das einsehen, desto besser für Sie, junger Mann!

„O, Herr Redaktör! Dass ich Sie wieder einmal sehe! Und was machen denn die Frau Gemahlin und die Kinder! Ja, ja ... Ach so! Ach Gott ... Ein Manuskriptchen ... Frau, bring mir die Suppe auf's Zimmer, ich muss wieder mal was schreiben!"

Die Zeitschriften quellen über, gewiss. Viel zu dick. Ich weiss. Nicht einmal mehr die Herren Kollegen (die Herren und Damen Kollegen, natürlich, verzeihen Sie!) lesen das, was wir da ständig von uns geben. Man "orientiert" sich, natürlich. Denn orientiert zu sein ist wichtig. X hat doch kürzlich einen Aufsatz über die Frage Y geschrieben, der allerdings von Z sehr kritisch beurteilt worden ist! Er soll sich um den Lehrstuhl in P beworben haben. Na! Dabei ... Frau, bring die Suppe rauf, ich werde sonst mit dem Kongressbericht nicht fertig und mit der Rezension und dem Artikel über die Bedeutung des grossen Zehs im Sportunterricht der 12 bis 14-Jährigen! Man hat ja schliesslich Frau und Kinder!

Ja früher! Früher ... früher. Da ging's mir noch um Wahrheit, um Werte ... da wollte ich wirklich noch schreiben, wollte etwas "bewegen"! Aber, ach Gott, wissen Sie! Diese Illusionen vergehen nach und nach. Wenn Sie einmal etwas längr im Geschäft sind, dann! Publish or perish! Die Seminararbeiten müssen immer "nach etwas" aussehen. Seit es Computer gibt können Sie mit Schreibmaschinenmanuskripten nicht mehr landen, geschweige denn mit der eigenen Klaue! Die schöne Form, das zählt! Gedanken! Einsichten! Naja. Die Zeit ist einfach nicht da. Die zunehmende Automatisierung in der Texterstellung wird hier nochmal einen gewaltigen Schub bringen. So wie im Baugewerbe finden Sie auch in der Fachliteratur immer mehr Fertigbauteile. Der Autor braucht diese bloss noch gemäss Vorlage zusammenzumontieren! Da uns die Gewohnheit und die Zeit zum genauen Hinkucken immer mehr abhanden kommt, wird niemand merken, ob hier ein Mensch oder ein Robotter mit dem Fächer wedelt!

Homo homini lupus! Geschäft ist Geschäft! Sie arbeiten über Geheeb! Na wunderbar! Da wird sich die Papierindustrie freuen, und auch das Zeitschriftenwesen und das Hochschulwesen. Sie produzierend weiteres, höchst relevantes Forschungsmaterial! Wunderbar. Das werfen wir dann oben in die grosse Maschine, und wir werden alle wieder eine Weile zu tun haben! Neue Forschungsgelder müssen locker gemacht werden, um die von Ihnen skizzierten „Forschungsdesiderate" endgültig aufarbeiten zu können. Man wird Rezensionen schreiben, und Sie werden zu Kongressen eingeladen. Auch die Hotelindustrie ist begeistert! Sie haben ein Produkt. Der Rest ist eine Frage des Marketings! Wenn es gelingt, Zahnpasten mit Himbeergeschmack und Katzen mit elektronisch gesteuerter Miaumechanik und Kugelradios auf unseren Märkten zu lancieren, warum soll es nicht gelingen, Geheeb dauernd auf dem Markt zu etablieren! Im übrigen -, Sie wollen doch auch von etwas Leben? Mal eine grössere Reise, eine schöne Wohnung und so? Na eben! Also los! Aber bitte nicht erst übermorgen, Herr Kollege, ich habe noch anderes zu tun, als Ihnen hier auf's Pferd zu helfen. Wenn Sie wollen, wenn Ihnen dies Alles zu "niedrig" ist, wenn Sie lieber noch ein wenig auf gefühlvollen Jüngling und auf Weltverbesserung und so machen wollen, dann bitte, aber ohne mich! Nur etwas möchte ich Ihnen schon jetzt sagen: Auch die Gemeinde der Wissenschaftler liebt es nicht, wenn man ihre Ehre beschmutzt! Auch wir haben unsere Ehre, bitte! Und wenn Sie unser Spiel nicht mitspielen wollen, wenn Sie auf Ihrer unreifen Protesthaltung beharren ... nun, wie gesagt, Sie werden ja sehen. Wir amüsieren uns gut hier, und wenn es Ihnen nicht passt, mein Herr, bitte -, es zwingt Sie niemand, hier zu bleiben! Das Korsett mag eng sein und der Kragen würgt ein wenig, doch ich habe mich daran gewöhnt! Und was ich mir mit so viel Mühe erkämpft, erarbeitet habe, das lasse ich mir von Ihnen nicht so einfach madig machen - von Ihnen nicht und von anderen auch nicht, ist das klar!

Was bleibt einem denn schon Anderes, als hier mit zu tanzen und herumzuhopsen und "aber ja doch, meine Gnädigste" und "nein aber so was" zu sagen. Welche Wahl bleibt uns denn, wenn wir nicht als Clown oder Bettler auf der Strasse enden wollen! Habe ich denn etwa nicht auch das Recht, Professor zu werden? Und wie kommen Sie dazu, all diese Menschen als bestochene Beamte eines Korrupten Systems zu bezeichnen? Wie kommen Sie dazu, ihre Gehälter "Schweigegelder" zu nennen? Schweigegelder?! Schweigegelder! Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit! Schweigegelder! Ich muss doch sehr bitten, mein Herr. Wer sind Sie denn, dass Sie so von unserem Bildungswesen und unserer gesamten Kultur sprechen dürfen! Unser Bildungswesen einschliesslich unserer Universitäten eine gigantische Geldverschwendung! Und nun drängen Sie Sich auch noch vor und blähen sich auf mit Ihren unausgegorenen Meinungen, Ihrem billigen Vulgärmarxismus -, drängen sich vor und plustern sich auf, anstatt sich demütig -ja, ich sage bewusst "demütig" - anstatt sich demütig zurückzunehmen zu Gunsten eines Menschen, der wirkliche Grösse hatte, eines Menschen, der unsere Aufmerksamkeit wirklich verdient!

Na also. Bitte. Nein. Wenn Sie Ihre Aufgabe nicht erledigen können oder wollen, dann gut; aber belästigen Sie uns nicht mit Ihrem gejammer und Ihrem pessimistischen Gegeifer! Unsere Löhne seien Schweigegelder! Was sollen wir denn, bitte sehr, verschweigen? Was sollen wir denn, Ihrer geschätzten Meinung nach, nicht sehen? Das Elend in unserem Bildungswesen -, seine Ineffizienz -, seine heuchlerische Falschheit!? Und Geheeb hätte das genau so gesehen! Also bitte. Hier gehen Sie doch wohl etwas zu weit, meinen Sie nicht?

Jetzt verstehe ich, weshalb Sie Sich mit so viel verbissener Energie gegen die heutige Wissenschaft und ihre Traditionen zur Wehr setzen. Sie wollen sich mit diesem Geschrei einen Freipass dafür erkaufen, aus Ihrem Geheeb genau die Figur machen zu können, die Sie für Ihre Zwecke brauchen. Nein, nein mein Lieber. So einfach ist das nicht. Wenn Ihnen Ihr Sinn für wissenschaftliche Redlichkeit schon nicht sagt, dass das, was Sie hier tun, nicht geht, dann sollte Sie wenigstens Ihr Schamgefühl gegenüber einem Toten vor dieser Art der Leichenfläderei bewaren! Aber was rede ich. Machen Sie aus Ihrem Geheeb, was Sie wollen, und dann sitzen Sie bis ans Ende Ihrer Tage auf dem Manuskript oder auf den Büchern, die Ihnen irgendein linker Verlag vielleicht druckt. Kaufen wird so etwas Niemand! Aber was spreche ich überhaupt noch mit Ihnen. Ich verschwende nur meine Zeit. Rennen Sie in Ihr Unglück, wenn Sie wollen. Ich habe anderes zu tun! "Frau, bring mir die Suppe auf's Zimmer, ich muss wieder mal eine Rezension schreiben".

Das Spiel? Ja vielleicht ist es ein Spiel. Für einige ist es tatsächlich eine wunderbare Gelegenheit sich zu vergnügen, zu tanzen, zu parlieren und zu brillieren. Für Viele ist es eine Pflicht, der sie sich gerne entziehen würden, wenn sie nur könnten! Aber eben: Man kann halt leider nicht immer wie man will, und "wer A sagt, muss auch B sagen ...".