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An Martha H., im Dezember 1995

Hallo liebe Martha! Ich bin daran Geschenke einzupacken, Briefe zu schreiben und aufzuräumen, und da kehren nun endlich auch die unabsichtlicherweise nach Basel entführten Backbleche zu Dir zurück! Ich habe immer gedacht, ich würde sie Dir mal persönlich vorbeibringen, aber wer weiss, wann das sein würde! Und so ist doch diese Sache einmal erledigt!

Ich möchte Dir bei dieser Gelegenheit noch einmal für die Riesenarbeit danken, die Du in diesem Jahr für uns Alle getan hast! Ich hab ja zwischendurch auch zu denen gehört, die gesagt haben, "aber jetzt mach Dir doch nicht so viel Arbeit", wenn Du mir von den Stoffresten, den Briefmarken, den Bildern, den Möbeln, dem Putzen oder Nichtputzen, dem Papierkram im Büro von Oma und Grossbaba und all den vielen vielen Details erzählt hast, mit denen Du da beschäftigt warst. Aber irgendwann hab ich dann gemerkt, dass ich die Sorgfalt und Liebe und Genauigkeit, mit der Du all das unternommen hast, imgrunde ganz toll finde! Es wäre ja oft tausendmal einfacher gewesen, irgendetwas einfach wegzuschemeissen oder zu sagen, "ist ja egal, sollen die Andern sich drum kümmern". Aber eben: Du hast das nicht gesagt - kannst oder konntest es gar nicht sagen, weil Dir diese Haltung so gegen der Strich ging, und das fand ich dann wirklich toll! Denn Wegwerfmentalität haben wir ja wirklich schon genug in unserer Welt! – Jetzt hoffe ich nur, dass Du Dich nach und nach von den Strapazen dieses für Dich - körperlich und seelisch - doch wirklich sehr anstren­genden Jahres erholst und Dich weiter gut auf Dein "neues Leben" einstellen kannst - denn eine Zesur, einen neuer Lebensabschnitt bedeutet Dein Umzug doch sicherlich, nachdem Du fast Dein ganzes Leben (oder sogar das ganze?) an der Alpenstrasse gewohnt hast!

Ich möchte Dir auch für all das danken, was Du in den letzten Jahren für Oma getan hast. Wärst Du nicht in der Nähe und würdest immer so treu für sie sorgen, so wäre sie doch viel einsamer und verlorener in dieser Welt, die für alte Menschen so ungeeignet scheint, weil wir so weit voneinander entfernt leben und weil Alle immer so beschäftigt und "im Stress" sind (oder es doch meinen). Ja also auch dafür ganz ganz herzlichen Dank - nicht nur für das vergangene Jahr, sondern für schon ganz viele vergangene Jahre!

Ich hoffe, dass Omas Umzug ins Grossfeld und Dein Auszug aus der Alpenstrasse Dir jetzt wirklich ein wenig mehr Zeit und Raum für Dich und Deine Bedürfnisse gibt, dass Du - was Du doch immer wieder gewollt hast - mehr für Dich dasein und Deinen Interesse nachgehen und den Garten Deines inneren mehr pflegen und geniessen kannst! Wer weisst, was da noch Alles spiessen und wachsen will! In diesem Sinne hoffe ich, dass das kommende Jahr für Dich ein Gutes wird! Im übrigen hoffe ich, dass wir uns in den nächsten Jahren wieder häufiger sehen - ohne äusseren Grund, nur so, um miteinander über Gott und die Welt und Alles, was auf, über und unter ihr vor sich geht diskutieren und gemeinsam an den Lebensrätseln herumrätseln zu können! ... Wer weiss, vielleicht kommt die nächste Gelegenheit dazu ja schon bald!

Ich wünsche Dir und Paul(ein wenig verspätet, aber trotzdem von Herzen) schöne und friedliche Weihnachtszeit und ein erfülltes, glückliches 1996! Lebt Beide wohl und sei ganz herzlich gegrüsst!

PS: Falls Ihr beiden einmal Lust auf einen Abstecher nach Norden habt -, Basel ist eine historisch sehr bedeutsame, wundervolle, höchst sehenswerte Stadt, und ich wohne unmittelbar bei der Autobahnab­fahrt! Nur zweimal um die Ecke! Nicht zu verfehlen!